Nerzfarmen – ein Relikt aus einer anderen Zeit?

Manche Möglichkeiten hat man im Leben nur ein Mal. Danach wahrscheinlich nie wieder.

So muss man sich die Frage stellen, ob man ein bestimmtes Erlebnis erfahren möchte, oder man dies aktiv ablehnt. Dieser Moment entstand während unserer Unizeit für 5 Jahren im April 2016.

Es würde uns die Möglichkeit aufgezeigt eine Nerzfarm zu besuchen.

Die Diskussion in unserem Jahrgang ging los, während wir darüber sprachen, ob man so einen Betrieb sich den anschauen sollte. Wir waren uns alle ab der ersten Sekunde einig, dass wir die Produktion, Haltung und Tötung von Tieren mit dem Ziel nur das Fell zu verwerten und den Rest des Tieres als Abfallprodukt zu betrachten, als absolut inakzeptabel ansahen.

Darf man über Etwas urteilen, von dem man sich kein reales Bild gemacht hat?

Der Eingang der Nerzfarm

Genau über diese Frage haben wir lange und hitzig diskutiert.

„Darf ich Etwas komplett ablehnen, ohne es direkt und wirklich zu kennen?“

Wahrscheinlich ja. Es gibt sehr viele Situationen, Geschehnisse oder Umstände, welche man nicht aus erste Hand erleben muss um sagen zu können, dass man dies in keiner Art und Weise unterstützt. Aber was ist, wenn man, wie in diesem Moment, die Möglichkeit bekommt sich selber einen Blick zu machen? Um die Augen nicht vor dem möglich Schlechtem zu verschließen und herauszufinden, ob die eigene Meinung durch die Erfahrung bestärkt oder verändert wird.

So kam es, dass nur drei Personen mit zu diesem Ausflug gefahren sind und der Rest eine solche Farm aus ethischen Gründen nicht betreten wollte.

Höre Nichts, sehen Nichts, sage Nichts … dann muss ich mich danach auch nicht mit mir selber auseinander setzen und mit dem was man gesehen hat.

An einem grauen und kühlen Apriltag kommen drei Studenten und eine Professorin auf einer Nerzfarm im Osten von Litauen an. An die Umgebung, den generellen Anblick der typischen Bauten und „Instandhaltung“ dieser, haben wir uns in den letzten Jahren gewöhnt und bemerken dies nicht mehr so stark wie zu Beginn unserer Zeit in Litauen.

Wir steigen aus dem alten VW Bulli aus und gehen eine Matschstraße auf einen drei Meter hohen Zaun und einem silbernen Metalltor zu. Hier müssen wir klingeln, während wir durch eine Kamera beobachtet werden, und da wir einen offiziellen Termin haben öffnet sich dieses Tor langsam.

Wir treffen uns mit einem offiziellem Vertreter der Nerzfarm, welcher uns in ein zentrales Gebäude führt, und nach einer kurzen Begrüßung bekommen wir alle Key Facts geliefert. Größer der Nerzfarm, Anzahl der Mitarbeiter, Gründungsjahr, Allgemeines über den Ablauf der Arbeit, Fütterung und typische medizinische und gesundheitliche Probleme, sowie deren Behandlunsansätze.

Diese Nerzfarm hielt zum derzeitigen Zeitpunkt ca. 50.000 Nerze!

Auf dieses einseitige Gespräch folgend beginnt die Tour, welche mit der Besichtigung einer Halle beginnt, in der das Futter vorbereitet wird. Wir sehen große Blöcke aus gefrorenen Fisch und Lebensmittelresten. Diese transportiert eine einzelner Mitarbeiter, durchnässt und dreckig im klassisch gelben Friesennerz in einen riesengroßen Stahlmixer, welcher mit der Zugabe von Zusätzen, wie Eisen, Vitaminen und Mineralien gemixt mit Wasser daraus eine große Menge an einer stark riechenden braun-schwarzen Masse produziert.

Diese Masse wird in einen Marke „Eigenbau“ Wagen gefüllt, von dem ein Schlauchsystem abgeht, durch welches dieses Futter passend für jedes Tier / Käfig portioniert wird.

Zentralweg mit abgehenden Ställen

Hierauf folgte eine kurze Fahrt über eine stark zerlöcherte Straße, um zu den Stallungen zu gelangen. Der Aufbau der Anlage war wiederholend gleich. Es gab einen etwas 10 Meter breiten Zentralweg, welches auf beiden Seiten gesäumt war von langen Ställen, ca. 25 auf jeder Seite.

Diese hatten eine ca. 2 Meter breites Tor und man bemerkte, dass diese Ställe reine Dachkonstruktionen über einer nicht endend wollenden Anzahl an kleinen Stahlkäfigen war. Vor und in diesen gab es Stroh und die Käfige hatten einen reinen Stahlbereich und einen Strohbereich.

Blick durch einen Stall

Pro Käfig gab es immer zwei Tiere, welche über unseren Besuch deutlich überrascht, neugierig, aber auch solide aggressiv waren. So hörte man durchgehend das piepsen von Nerzen, welche dann auf ihre Hinterbeine gestellt und anschauten, aber nach einiger Zeit und besonders auf Annäherung uns mit voller Motivation anfauchten.

Käfig mit Futterbrei

Beim genauen Hinblick sah man nun auf den Käfigen auch den Futterbrei, welcher vorher vorbereitet wurde wieder. Diese wurde durch das Schlauchsystem des Wagens auf jeden Käfig geben und die Tiere konnten so, wenn sie sich streckten, diesen durch das Gitter hindurch fressen.

Zusammen betrachteten wir die Tierhaltung

Was uns überraschte war der Fakt, dass wir uns frei bewegen durften und uns auch nicht untersagt wurde Bilder zu machen.

Nach einer langen Zeit, die wir durch nicht enden wollende Gänge gegangen sind, kamen wir an einer Box vorbei, welche dazu gebaut worden ist, um die Tiere durch die Nutzung von Kohlenmonoxid zu töten. Dafür werden zwei Tiere mit dicken Handschuhen aus einem Käfig genommen und zusammen in eine kleine Box gepackt. An dieser ist ein Motor installiert und durch Schläuche wird das Kohlenmonoxid in die Box geleitet. Nach dreißig Sekunden sind die beiden Nerze ohnmächtig und nach 2 Minuten dann durch den Sauerstoffmangel gestorben.

Nachdem eine passende Anzahl an Tieren getötet wurde, wird ihnen das Fell entfernt, welches direkt kühl gelagert wird und die übrig bleibenden Tierkadaver werden in einer Verbrennungsanlage entsorgt.

Die Rückfahrt von diesem Ausflug war zuerst sehr ruhig, da jeder erst einmal die eigenen Gedanken und Gefühle sortieren musste, und schlussendlich versuchten wir uns zusammen eine Meinung aus dem Gelernten und Gesehenen zu machen.

Wir mussten alle eingestehen, dass es dort ganz anders und überraschenderweise „besser“ war, als wir es erwartet hatten. Aber wahrscheinlich war unser vorheriges imaginatives Bild eben noch viel düsterer gewesen. Gerade die Fütterung fanden wir etwas außergewöhnlich, da wir keine Antwort darauf fanden, wie man mit immer wieder sich ändernden Fisch- und Fleischabfällen ein passend abgestimmtes Futter herstellen kann. Das Tiere nun einmal nicht so wählerisch mit dem Aussehen von ihrem Futter sind verändert den Fakt, dass wir diesen Futterbrei wirklich sehr unappetitlich fanden.

Die Haltung mit den offenen Ställen war auch anders als erwartet und gerade mit Blick auf die Situation, welche sich im November in Dänemark und den dortigen Nerzfarmen abgespielt hat, kam uns dies seuchenhygienisch, besonders unter dem Gesichtspunkt das viele Erreger auch sehr weite Strecken durch die Luft mit passender Windstärke zurück legen können, etwas fragwürdig vor.

Allgemein muss man sagen, dass sich unsere ursprüngliche Meinung nicht geändert hat und wir uns, auch heute noch, fragen ob diese Produktion nicht ein veraltetes Konstrukt ist und die Notwendigkeit für die Herstellung von warmer Kleidung nicht anders gestaltet werden kann oder sollte, besonders wenn das Fell als einiges benutzt wird und der Rest des Tieres als Abfall angesehen wird.